Das Konzept der Kinästhetik kann bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen eine große Ressource sein. Sowohl für Pflegende als auch für den Hilfsbedürftigen selbst können die Abläufe mit den richtigen Techniken angenehmer gestaltet werden. Vor allem in der Intensivpflege, wo bei vielen Patienten ein hoher Pflegebedarf besteht, kommt der Kinästhetik ein besonders hoher Stellenwert zu.
Was ist Kinästhetik?
Das Wort "Kinästhetik" stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt etwa so viel wie "Bewegungswahrnehmung". In der Pflege ist die Kinästhetik ein Konzept, mit dessen Hilfe die Patienten möglichst schonend bei ihren Bewegungen unterstützt werden können. Um den Pflegebedürftigen gut einzubinden und damit zu möglichst viel Mithilfe zu motivieren, behält er bei jeder Mobilisation die Kontrolle über das Geschehen. So wird er nicht einfach irgendwo hin transferiert, sondern nimmt aktiv an der Bewegung teil und erlangt wieder ein besseres Körpergefühl.
Folgende Ziele sollen mit kinästhetischer Mobilisation in der Pflege erreicht werden:
- Leichtere Mobilisation der Pflegebedürftigen
- Reduktion gesundheitlicher Probleme bei Pflegenden
- Verbesserung der Koordination und des Körpergefühls beim Patienten
- Wiederherstellung einer Selbstständigkeit oder Teilselbstständigkeit
- weniger Schmerzen und weniger Kraftaufwand bei der Mobilisation
Dabei legt die Kinästhetik besonderen Wert auf die Ressourcen pflegebedürftiger Menschen. Hier ist zunächst einmal wichtig, bestehende Bewegungsressourcen zu erkennen, um diese dann aktiv zu fördern.
Wie sieht kinästhetisches Arbeiten in der Praxis aus?
Die Kinästhetik ist keine starre Technik, sondern viel mehr eine Grundhaltung, die den einzelnen Patienten mit seinen Ressourcen analysiert und dann individuell abholt. Dabei arbeiten die Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes und Patient nach Möglichkeit zusammen.
Um den Pflegebedürftigen möglichst aktiv in die Mobilisation einzubinden, sieht die Kinästhetik aber einige Grundprinzipien vor. So sollen die Patienten beispielsweise möglichst wenig gehoben oder getragen werden. Pflegende sollten beim Transfer nicht in sogenannte Zwischenräume greifen, da dies den Patienten in seiner Bewegungsfreiheit blockiert und er dann nicht mehr aktiv mithelfen kann. Ein typisches Beispiel ist hier der Griff in die Achselhöhle, um einen Patienten aus dem Bett heraus zu mobilisieren. Besser ist es, die "Massen" zu greifen, also den Oberkörper oder den Oberarm.
Statt Hebe- und Tragekräfte einzusetzen, arbeiten Pflegekräfte in der Kinästhetik mit Druck- und Zugkräften. So kann zum Beispiel beim sitzenden Patienten ein gezielter Druckimpuls am Knie sehr hilfreich sein, um das Gewicht auf die Füße zu verlagern und vom Sitzen in den Stand zu kommen. Auch der Einsatz verschiedener Hilfsmittel kann helfen, eher mit Zug und Druck als mit der Hebewirkung zu arbeiten.
Besondere Rolle in der Intensivpflege
Vor allem in der Intensivpflege haben viele Patienten eingeschränkte Bewegungsfähigkeiten und einen hohen Pflegebedarf. Das Konzept der Kinästhetik kann hier sowohl für Pflegekräfte als auch für die Pflegebedürftigen eine große Hilfe sein. Patienten fühlen sich der Situation weniger ausgeliefert und können mithilfe der Ressourcenförderung schneller wieder zu eigener Bewegung zurückfinden. Pflegekräfte werden körperlich entlastet und haben ein größeres Erfolgserlebnis, wenn eine Mobilisation reibungslos und leicht vonstattengeht.