Wenn bei Menschen mit fortschreitender Demenz zunehmend Probleme in der Ausführung von Routinehandlungen auftreten und ein selbstständiges Leben ohne permanente Betreuung nicht mehr möglich ist, sind Erkrankte und Angehörige gefordert, Adaptionen vorzunehmen, durch die der Alltag der Betroffenen möglichst lange lebenswert bleibt. Ist auch bis heute keine Maßnahme bekannt, die Erkrankten ihre frühere Gedächtnisleistung zurückbringen kann, so lässt sich das Fortschreiten des degenerativen Prozesses durch aktivierende Spiele und Training in vielen Fällen verlangsamen. Neben adäquater Medikation ist die Aktivierung des Gedächtnisses von Demenzkranken die effektivste Methode zur Erhaltung der kognitiven Funktionen. Dabei können sowohl Angehörige als auch der ambulante Pflegedienst Erkrankte optimal fördern und unterstützen, indem sie mit verschiedenen, oft spielerischen Methoden an deren individuelle Situation anknüpfen.
Mit allen Sinnen erfahren
Gedächtnisbildung ist in hohem Maße von sensorischer Wahrnehmung abhängig. Aus diesem Grund eignen sich zur Aktivierung von Gehirnregionen zahlreiche Übungen und Spiele, die auf Sinneswahrnehmungen basieren. Aus der Vergangenheit bekannte Gerüche, Geschmäcker, Oberflächen und Beschaffenheiten von Materialien oder Geräusche können ebenso Regionen im Gehirn aktivieren wie visuelle Reize, beispielsweise ein persönliches Foto. Man kann sich dies zunutze machen, indem man Personen mit Demenz mit diesen Reizen konfrontiert und an den aufkommenden Erinnerungen ansetzt, um Biographiearbeit zu leisten. Möglichkeiten wären etwa:
- das Lieblingsgericht kochen und essen
- Fotoalben durchsehen
- Parfums von Bezugspersonen riechen lassen
- Materialien ertasten lassen, die an Erinnerungen anknüpfen (z.B. Sand an den Urlaub, Wolle ans Häkeln, Gräser an den Garten, ...)
- Lieblingslieder anhören
Das waren noch Zeiten
Bei Demenz kommt es häufig vor, dass sich Betroffene nicht an Ereignisse der unmittelbaren Vergangenheit erinnern können, ihnen Aspekte aus dem früheren Leben aber sehr lebhaft in Erinnerung sind. Biographiearbeit mit einem Menschen, mit dem sie früher Zeit verbracht haben, kann daher helfen, jene Regionen im Gedächtnis anzuregen, die den Zugriff auf die eigene Lebensgeschichte ermöglichen. Denkanstöße wie "Weißt du noch als, ..." geben den Betroffenen einen Ansatzpunkt, nach dem sie ihre grauen Zellen durchforsten können. Im Laufe der Erzählungen werden oftmals verschwommene Erinnerungen konkreter und durch die Aktivierung der Gehirnregionen wird der Abbau der grauen Substanz gehemmt und die Vernetzung von Neuronen gefördert.
I like to move it
Bewegung regt nicht nur die Muskulatur, sondern auch die Hormonausschüttung an. Das Voranschreiten einer Demenz ist häufig vom Vorhandensein oder Fehlen von Hormonen abhängig, die an körperliche Betätigung gekoppelt sind. So führt Bewegung zur Neuverschaltung von Neuronen und der Abbau wird gehemmt. Je nach Fitnesslevel des/der Erkrankten eignen sich unterschiedlichste Bewegungsspiele und Trainings zur Aktivierung von Demenzkranken. Allem voran die Kombination von Bewegung mit Musik, die den Betroffenen gefällt oder die sie mit einem besonderen Ereignis verknüpfen, ebenso wie taktile Reize, etwa das Material eines Balls oder Tuches, können sich positiv auf die Aktivierung des Gedächtnisses auswirken. Bewegung lässt sich darüber hinaus hervorragend mit kognitiven Aufgaben kombinieren, etwa im Sinne einer Schrittfolge beim Tanzen, einer Kette von Bewegungen oder einer Kombination von Denksportaufgaben und Bewegungen.
Einen Schritt weitergedacht
Da viele demente Personen nur mehr eingeschränkt selbständig mobil sind und in diesen Fällen kaum Nutzen aus körperlicher Betätigung gezogen werden kann, wurden mittlerweile etliche Denkspiele und -aufgaben für die Aktivierung des Gedächtnisses konzipiert. Es muss kein teures Equipment angeschafft werden, um den förderlichen Nutzen von Denksport auf die graue Substanz wirksam einzusetzen. Bereits einfache Rechnungen, das Auswendiglernen von Gedichten oder der Einkaufsliste und das Abrufen bekannter Lieder aus dem Gedächtnis sind im Alltag einfach umsetzbare Übungen. Wer nicht sofort zum Taschenrechner oder Rezeptbuch greift und sich tatsächlich bemüht, Dinge, die er/sie eigentlich wissen müsste aus dem Gedächtnis abzurufen anstatt sofort in Büchern, dem Internet oder bei anderen Quellen die Lösung zu suchen, trainiert sein Gehirn nachhaltig.
Geh' mir zu Hand
Obwohl im Rahmen der Pflege bei Demenz häufig Biographiearbeit wichtig erscheint, können nicht nur Angehörige den Betroffenen unterstützend zur Seite stehen. Aufgrund der vielen Probleme, die Erinnerungslücken und nicht mehr ausführbare Handlungsmuster für den Alltag von Erkrankten bedeuten, ist es oft ratsam, sich an Pflegedienste zu wenden. Diese unterstützen Betroffene nicht nur bei Handlungen der Grundversorgung und Körperhygiene und übernehmen den Transport der Betroffenen zu Ärzten und anderen Terminen.Sie können auch als Gedächtniscoaches tätig werden: Sowohl das Animieren zum Erzählen der Lebensgeschichte als auch das gemeinsame Einkaufen, wobei der Einkaufszettel nur wenn unbedingt nötig oder zur Kontrolle verwendet wird, gehören zu den Diensten externer Pfleger, die je nach Bedarf nur für einzelne Stunden, tagsüber oder rund um die Uhr an der Seite der Erkrankten bleiben. Diese Dienste entlasten auch Angehörige mit ihrer Arbeit, wodurch diese wieder mehr Zeit haben, sich abseits der Erfüllung der Grundbedürfnisse der Erkrankten intensiv mit diesen zu beschäftigen und ihre Gedächtnisleistung durch "quality time" zu aktivieren.